70.000 € Schmerzensgeld für den Tod der Patientin aufgrund verspäteter Diagnose einer Krebserkrankung

70.000 € Schmerzensgeld für den Tod der Patientin aufgrund verspäteter Diagnose einer Krebserkrankung

In diesem Fall ging es um die um neun Monate verspätete Entdeckung von Darmkrebs, an dem die Patientin viereinhalb Jahre später qualvoll starb. Da das Schmerzensgeld vererblich ist, konnten die Erben die Ansprüche vor Gericht geltend machen.

Die Beweislast

Der Fehler des Arztes ist vom Gericht und vom Sachverständigen als grob (so etwas darf schlechterdings nicht passieren!) eingestuft worden. Bei groben Behandlungsfehlern kehrt sich die Beweislast um. Nicht die Erben der verstorbenen Patientin müssen – wie bei einem „einfachen“ Behandlungsfehler – beweisen, dass die Krankheit der Patientin bei einer rechtzeitigen Befunderhebung keinen so schwerwiegenden Verlauf genommen hätte, was sehr schwer gewesen und vermutlich gescheitert wäre.

Vielmehr oblag dem beklagten Arzt der Beweis, dass die um neun Monate verspätete Diagnose nicht oder auch nur teilweise nicht für den weiteren Verlauf der Krebserkrankung ursächlich gewesen ist.
Diesen Beweis vermochte der Arzt nicht zu erbringen.
Er konnte nicht beweisen, dass bei unverzögerter Behandlung gleichfalls Metastasen aufgetreten wären; auch konnte er nicht beweisen, dass in jedem Fall (irgendwann) der Krebs gestreut hätte.

Schmerzensgeld

Die 47-jährige Patientin hätte eine aussichtsreiche Chance auf vollständige Heilung und eine sehr gute Überlebensprognose gehabt, wäre rechtzeitig ein Befund erhoben worden. Stattdessen musste sie 4,5 Jahre zahlreiche und schwerwiegende Behandlung über sich ergehen lassen, in der Gewissheit, dass keine Chance auf Heilung besteht und sie versterben wird. Dafür sah das Oberlandesgericht die vom Landgericht ausgesprochenen 70.000 € keinesfalls als überhöht an.

Mitverschulden

Der Beklagte Arzt hat versucht, die Ansprüche der Erben mit dem Argument zu mindern, dass diese mit Schuld an ihrem Unglück sei. Er hat den Einwand des Mitverschuldens erhoben. Die Patientin hätte, so der Arzt, aus den aufgetretenen blutigen Durchfällen und der zunehmenden Müdigkeit und Schlappheit selber darauf kommen müssen, dass eine ernsthafte Erkrankung vorliegt. Das hat das Gericht nicht gelten lassen, besonders weil der beklagte Arzt gegenüber der Patientin angegeben hatte, dass die Blutungen durch Hämorrhoiden ausgelöst worden seien. Darauf – so das Gericht – durfte sie eine Zeit lang (wie lange wird nicht ausgeführt) vertrauen.

„Zwischen Arzt und Patient klafft ein erheblicher Wissensvorsprung“, sagt Patientenanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Dr. Lovis Wambach, „deshalb kann der Einwand des Mitverschuldens nur in absoluten Ausnahmefällen greifen.“

Das vollständige Urteil des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 28. Februar 2019 – 9 U 129 /15 können Sie hier als PDF (64 KB) herunterladen:

OLG Braunschweig, Urteil vom 28. Februar 2019 – 9 U 129/15

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