Arzt oder Krankenhaus müssen auch über Behandlungsalternativen der „zweiten Wahl“ aufklären

Der Fall: Behandlung von Herzrasen mit Katheterablation

Die Klägerin litt längere Zeit unter Herzrasen. Im Krankenhaus wurde dann eine Katheterablation durchgeführt. Die Behandlung fußt auf dem Konzept, dass Herzgewebe ausgeschaltet wird, da es falsche elektrische Impulse sendet. Hierbei werden gezielt Narben gesetzt, um auf diese Weise die Weiterleitung der falschen Impulse zu unterbrechen. Das kann gelingen. In diesem Fall gelang es nicht, sodass der Klägerin ein Herzschrittmacher eingesetzt werden musste.

Kein Behandlungsfehler, aber ungenügende Aufklärung!

Das Berufungsverfahren ergab, dass die Behandlung zwar nicht behandlungsfehlerhaft durchgeführt worden war, dass aber die Aufklärung ungenügend war. Die Risikoaufklärung war nach Ansicht des Gerichts genügend. Hier war der Klägerin im Großen und Ganzen vermittelt worden, dass es sich um eine gefährliche Operation handelt.

Der Arzt muss dem Patienten aber auch sagen,

  • dass die Durchführung der Operation kein Muss ist und dass alternativ andere, nicht invasive (konservative) Methoden zur Verfügung stehen,

die zwar nicht zur Heilung führen, aber andererseits nicht mit den teils erheblichen Risiken der invasiven Herzkatheteruntersuchung und der Ablationstherapie verbunden sind.

Dies ist bereits deshalb erforderlich, um herauszufinden, wie hoch der für die Indikation erforderliche Leidensdruck und Therapiewunsch des Patienten ist. Es standen in dem streitgegenständlichen Fall nach Angaben des Sachverständigen alternative Möglichkeiten innerhalb des standardgemäßen Behandlungskorridors (der Patient hat Anspruch auf eine Behandlung nach den zum Behandlungszeitpunkt geltenden Facharztstandards) zur Verfügung.

Eine Behandlungsalternative war die vom Sachverständigen als ”zweite Wahl” oder „alternative Therapie” bezeichnete medikamentöse Therapie, die nur die Symptome des Herzrasens bekämpft, aber nicht dessen eigentliche Ursache beheben kann.

40.000 € Schmerzensgeld wegen Aufklärungsmangels

Das Gericht hat aufgrund dieses Aufklärungsmangels 40.000 € Schmerzensgeld zugesprochen, weil die Klägerin einen Dauerschaden erlitten hat. Sie muss den Herzschrittmacher bis zum Ende ihres Lebens tragen, er muss regelmäßig mittels eines invasiven Eingriffs (ambulante Operation) ausgetauscht werden.

„Der Kernsatz des Urteils ist: das Selbstbestimmungsrecht des Patienten hat einen so hohen Stellenwert, dass er auch darüber aufgeklärt werden muss, dass weniger erfolgversprechende Therapien zur Verfügung stehen, wenn diese auch weniger Risiken bergen“, sagt Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Dr. Lovis Wambach.

Das vollständige Urteil des Kammergerichts Berlin vom 13.3.2017 -20 U 238 /15 können Sie hier als PDF (56 KB) herunterladen:

KG, Urteil vom13.3.2017 -20 U 238 /15

 

 

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