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Ein Arztbrief kann eine Pflicht der Patientin zur Nachforschung hinsichtlich eines Behandlungsfehlerverdachts auslösen

Dieser Fall zeigt sehr anschaulich eine Verjährungsfalle:

Die Verjährung in Arzthaftungssachen beträgt 30 Jahre (Höchstfrist). Danach kann kein Anspruch mehr geltend gemacht werden. Die kürzere Frist der Regelverjährung (drei Jahre) wird innerhalb dieser 30 Jahre in Gang gesetzt, wenn die Kenntnis des Patienten im Großen und Ganzen von einer Behandlung entgegen den Facharztstandards vorliegt. Sie wird gleichfalls dann in Gang gesetzt, wenn der Patient grob fahrlässig in Unkenntnis des Behandlungsfehlers bleibt, diesen etwa aufgrund erdrückender Anhaltspunkte einfach nicht zur Kenntnis nimmt oder wenn er mit hinreichender Deutlichkeit von einem Nachbehandler darauf hingewiesen wird. Es gibt in der Rechtsprechung den Fall, bei dem eine Patientin ein Auge verloren hat, weil die Kontrollen unzureichend waren. Der Nachbehandler hatte gesagt, dem Vorbehandler „gehöre in den Arsch getreten“. Das kann man für ausreichend halten, wenngleich natürlich auch eine schlechte Leistung für die ein "Arschtritt" angemessen wäre, sich noch innerhalb der Facharztstandards bewegen könnte, sozusagen am alleruntersten Rand.

Der vorliegende Fall ist nicht so ganz eindeutig wie der "Arschtritt"

Die Klägerin hatte sich im Jahre 2006 eine Knieoperation unterzogen, bei der ein „normales“ Implantat eingesetzt wurde. Auf die Möglichkeit, dass eine Knieprothese aus Titan eingesetzt werden könnte, ist sie nicht hingewiesen worden, was allerdings unter den Parteien auch streitig ist. Die Prothese musste dann später ausgetauscht und eine Titanprothese eingesetzt werden.

Der Knackpunkt des Falls ist folgender:

Anlässlich der ambulanten Vorstellung der Klägerin am 26. August 2011 wurde ein auf den 8. September 2011 datierender Arztbrief gefertigt, in dem zum weiteren Procedere festgehalten wird: "Frau …[B] hat auch einen Allergiepass vorgelegt mit nachgewiesener Allergie unter anderem auf Nickel und Cobalt. Nach Fallbesprechung mit unserem Chefarzt Dr. …[C] konnten wir der Patientin bei letztlich nicht auszuschließender allergischer Komponente der chronischen Synovitis auf Prothesenbestandteile als nächste sinnvolle Therapieoption den Prothesenwechsel auf eine Titan-Endoprothese vorschlagen." Das Gericht hat angenommen, dass der Erhalt dieses Arztbriefes am 08. September 2011 eine grob fahrlässige Unkenntnis ausgelöst hat, weil die Patientin hätte Nachforschungen anstellen müssen, da der Arztbrief von „letztlich nicht auszuschließender allergischer Komponente“ spricht. Die grobe Fahrlässigkeit liegt darin, dass die Patientin keine Nachforschungen angestellt hat. Deshalb ist die dreijährige Verjährungsfrist im September in Gang gesetzt worden und zwar in der Weise, dass der Beginn der Verjährungsfrist im September 2011 mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem die grob fahrlässige Unkenntnis der Umstände der Verjährung liegt. D. h. die drei Jahre werden folgendermaßen gezählt: 2012, 2013 und 2014. Zur Hemmung der Verjährung hätte bis Silvester 2014 eine Klage eingereicht werden müssen; die Klage ist jedoch erst im Jahr 2015 eingereicht worden. Damit sind die Ansprüche verjährt. Die beklagten Ärzte berufen sich auch auf Verjährung.

Klägerin die Berufung zurückgenommen

Aufgrund des Hinweisbeschlusses des OLG hat die Klägerin die Berufung zurückgenommen. Prozessual hätte sie auch dem Beschluss gegen sich ergehen lassen können und dann vor dem Bundesgerichtshof weiterkämpfen können. Es ist nicht gewiss, aber auch nicht ganz auszuschließen, dass der Bundesgerichtshof (BGH) eine andere Entscheidung getroffen hätte. Der Arztbrief spricht von „nicht auszuschließender allergischer Komponente“. Er sagt nicht, dass die Allergie gesichert vorliegt und aus diesem Grunde die nächste Prothese aus Titan sein muss.

Was genau bedeutet „letztlich“ in diesem Zusammenhang?

In dem Arztbrief steht, dass das gewählte Material sinnvoll ist, nicht unumgänglich. Man ahnt was gemeint ist, der Bundesgerichtshof stellt allerdings sehr hohe Anforderungen an die grob fahrlässige Unkenntnis.
„Verjährungsfallen lauern im Arzthaftungsrecht viele. Ich habe Ihnen einen eigenen Beitrag „Verjährung: Definition und Fallstricke“ gewidmet, den Sie hier nachlesen können“, sagt Patientenanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Dr. Lovis Wambach.

Den vollständigen Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 10. Januar 2018 – 5 U 1271 / 17 können Sie hier als PDF-Datei (40 KB) herunterladen:

OLG Koblenz, Beschluss vom 10. Januar 2018 – 5 U 1271/17

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