Auch eine nicht indizierte Lebensverlängerung löst keine Schadensersatzansprüche aus

Hintergrund der Entscheidung war, dass der Sohn und Alleinerbe des verstorbenen Patienten gegen den behandelnden Arzt geltend gemacht hat, dass dieser die künstliche Ernährung hätte einstellen müssen, weil sein Vater durch diese lebenserhaltenden Maßnahmen unnötig gelitten habe. Der hochbetagte Vater war bettlägerig, gelähmt und dement. Die sinnlose Verlängerung des Lebens ziehe immateriellen Ersatz (Schmerzensgeld) und materiellen Schadensersatz (Pflegekosten) nach sich.

In der

  • ersten Instanz vor dem Landgericht München hatte die Klage keinen Erfolg; hingegen hat
  • das Oberlandesgericht München in der Berufung Schmerzensgeld zugesprochen.
  • Der Bundesgerichtshof hat der Revision des Beklagten Arztes gegen das Urteil des Oberlandesgerichts München stattgegeben.

Damit ist die Klage insgesamt abgewiesen worden. Es gibt keinen Ersatz der Pflegekosten und auch kein Schmerzensgeld. Für den Kläger ist es noch möglich, das Bundesverfassungsgericht anzurufen und sodann den Europäischen Gerichtshof. Rein statistisch ist das kein aussichtsreiches Unterfangen.

Ob dem Arzt ein Behandlungsfehler vorgeworfen werden kann, hat der Bundesgerichtshof offen gelassen, weil ein Schadensersatzanspruch schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil das Weiterleben als Solches kein Schaden sein kann.

In dieser Entscheidung hat der Bundesgerichtshof mehrere maßgebliche Grundsätze aufgestellt:

  1. Das menschliche Leben ist ein höchstrangiges Rechtsgut und absolut erhaltungswürdig.
  2. Es entzieht sich menschlicher Erkenntnisfähigkeit, ob ein leidensbehaftetes Leben gegenüber dem Tod ein Nachteil ist.
  3. Das Urteil über den Wert des Lebens steht keinem Dritten zu.
  4. Aus dem verfassungsrechtlich abgesicherten Gebot, den Menschen nicht als Objekt, sondern als Subjekt ärztlicher Behandlung zu begreifen, ergibt sich, dass der Patient in jeder Lebensphase, auch am Lebensende, das Recht zusteht, selbstbestimmt zu entscheiden, ob er ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen will.
  5. Auch nach Eintritt der Einwilligungsunfähigkeit bleibt der tatsächlich geäußerte oder mutmaßliche Wille des Patienten für die Entscheidung über die Vornahme oder das Unterlassen ärztlicher Maßnahmen maßgeblich.

„Soweit der Bundesgerichtshof ausführt, dass das Leben ein höchstranginges Rechtsgut sei, so scheint mir das zu unpräzise formuliert. Das Leben ist naturgemäß das höchstrangigste Rechtsgut überhaupt!“, sagt Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Dr. Lovis Wambach.

 

Das vollständige Urteil des Bundesgerichtshofs vom 02.04.2019 – VI ZR 13 /18 können Sie hier als PDF (188 KB) herunterladen:

BGH Urteil vom 02.04.2019 – VI ZR 13 /18

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