Die Patientin begehrte Schadensersatz nach einer ärztlichen Behandlung durch eine Gynäkologin. Diese verordnete der 1965 geborenen Klägerin, die Raucherin war, im November 1994 das Antikonzeptionsmittel „Cyclosa“, eine sogennante Pille der dritten Generation, zur Regulierung ihrer Menstruationsbeschwerden. Die Klägerin nahm daraufhin das verordnete Medikament seit Ende Dezember 1994 ein. Im Februar 1995 erlitt sie einen Mediapartialinfarkt (Hirninfarkt, Schlaganfall), der durch die Wechselwirkung zwischen dem Medikament und dem von der Klägerin während der Einnahme zugeführten Nikotin verursacht wurde.
Ausweislich der dem Medikament beigefügten Gebrauchsinformation bestand bei Raucherinnen ein erhöhtes Risiko, an zum Teil schwerwiegenden Folgen von Gefässveränderungen (zum Beispiel Herzinfarkt oder Schlaganfall) zu erkranken. Dieses Risiko nahm mit zunehmendem Alter und steigendem Zigarettenkonsum zu. Deshalb sollten Frauen, die älter als 30 Jahre waren, nicht rauchen, wenn sie das Arzneimittel einnahmen.
Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch abgelehnt. Auf die Revision der Klägerin hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Er hat dazu ausgeführt:
Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, die Klägerin über die mit der Einnahme des Medikaments verbundenen Nebenwirkungen und Risiken zu informieren. Unter den hier gegebenen Umständen reiche der Warnhinweis in der Packungsbeilage des Pharmaherstellers nicht aus. In Anbetracht der möglichen schweren Folgen, die sich für die Lebensführung der Klägerin bei Einnahme des Medikaments ergeben konnten und auch später verwirklicht haben, habe auch die Beklagte als die das Medikament verordnende Ärztin darüber aufklären müssen, dass das Medikament in Verbindung mit dem Rauchen das erhebliche Risiko eines Herzinfarkts oder Schlaganfalls in sich barg. Nur dann hätte die Klägerin ihr Selbstbestimmungsrecht ausüben und sich entweder dafür entscheiden können, das Medikament einzunehmen und das Rauchen einzustellen, oder wenn sie sich als Raucherin nicht in der Lage sah, das Rauchen aufzugeben, auf die Einnahme des Medikaments wegen des bestehenden Risikos zu verzichten.
Der Rechtsstreit wurde an das Berufungsgericht zurückverwiesen, weil dieses zwar ebenfalls von einer bestehenden Aufklärungspflicht der Ärztin ausgegangen war, aber mit einer widersprüchlichen Begründung, die der revisionsrechtlichen Prüfung nicht standgehalten hat, nämlich eine hypothetische Einwilligung der Klägerin in die Verordnung des Medikaments angenommen hatte, also dass diese die Pille auch dann genommen hätte, wenn sie um das Risiko gewusst hätte. Der Arzt kann sich – allerdings nur unter strengen Voraussetzungen – nämlich darauf berufen, dass der Patient auch bei Erteilung der erforderlichen Aufklärung in die Behandlung eingewilligt hätte (so genannte hypothetische Einwilligung).
„Eine hypothetische (mutmaßliche) Einwilligung wird von den Gerichten nur mit Zurückhaltung, also nur in Ausnahmefällen, angenommen“, sagt Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Dr. Lovis Wambach.
Das vollständige Urteil des Bundesgerichtshofs können Sie hier als PDF (36 KB) herunterladen: