Zur Prüfung eines Entscheidungskonflikts für den Fall der hypothetischen Einwilligung in einen medizinischen Eingriff muss der Patient immer angehört werden

Der Sachverhalt dieser höchstrichterlichen Entscheidung zur Frage der Aufklärung und Einwilligung in eine gynäkologische Operation ist unter den Parteien sehr streitig.

Besprochen worden ist eine Operation zur Anhebung der Harnblase und der erschlafften Scheidenwände. Die Ärzte behaupten, die Klägerin auch über die Entfernung der Gebärmutter aufgeklärt zu haben. Die Patientin sagt, dass sie keine Entfernung der Gebärmutter gewünscht habe. Bei der Entfernung der Gebärmutter ist außerdem der Harnleiter verletzt worden.

Das Landgericht Oldenburg hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht Oldenburg hat sie im Berufungsverfahren abgewiesen. Es hat zwar festgestellt, dass die Klägerin in die Entfernung der Gebärmutter nicht eingewilligt hatte, es hat aber angenommen, dass sie bei ordnungsgemäßer Aufklärung zugestimmt hätte (sogenannte hypothetische Einwilligung, § 630h Abs. 2 Satz 2 BGB). Die Entfernung der Gebärmutter war aufgrund des Verdachtes auf eine Krebserkrankung in frühstem Stadium sinnvoll. Hätte man sie nicht entfernt, hätte man zuwarten und die Gebärmutter sonografisch kontrollieren können. Das Oberlandesgericht hat angenommen, dass die Patientin in die Entfernung der Gebärmutter eingewilligt hätte, weil sie sinnvoll gewesen sei.

Dieses Verteidigungsmittel der Ärzteseite ist zulässig. Es wird vom Bundesgerichtshof allerdings nur in aller Vorsicht und als Ausnahme zugelassen. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss für die Annahme einer hypothetischen Einwilligung der Patient zu seinem Entscheidungskonflikt immer angehört werden.

Deshalb hat der Bundesgerichtshof den Rechtsstreit wieder an das Oberlandesgericht zurückverwiesen, damit es den Entscheidungskonflikt prüft. Der BGH hat dabei folgende Vorgabe gemacht: „Es [das OLG] wird dabei zu berücksichtigen haben, dass sich die Substantiierungspflicht des Patienten auf die Darlegung des Entscheidungskonflikts, in den er bei erfolgter Aufklärung geraten wäre, beschränkt; er braucht nicht etwa darzulegen, wie er sich tatsächlich entschieden hätte.“

„Für die Prüfung des Entscheidungskonflikts ist allein der betroffene Patient und dessen Entscheidung im Einzelfall maßgeblich. Inwieweit ein verständiger Patient die hypothetische Einwilligung in den Eingriff erteilt hätte, ist unerheblich. Auch ist es irrelevant, was aus der Sicht des behandelnden Arztes oder des gerichtlichen Sachverständigen sinnvoll oder erforderlich gewesen wäre oder wie sich ein vernünftiger Patient verhalten hätte“, sagt Patientenanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Dr. Lovis Wambach.

Das vollständige Urteil des Bundesgerichtshofs vom 21.05.2019 – VI ZR 119/18 können Sie hier als PDF Datei (72 KB) herunterladen:

BGH, Urteil v. 21.05.19 – VI ZR 119/18

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