Der Heimträger muss seine Heimbewohner vor gesundheitlichen Gefahren schützen

Eine Heimbewohnerin mit deutlicher Intelligenzminderung und schwerer Diabetes, die von ihrer Mutter rechtlich betreut wird, lebte in einem Wohnheim für Menschen mit geistiger Behinderung. Die Bewohnerin wollte in einer Sitzbadewanne ein Bad nehmen. Die Armatur sah keine Begrenzung der Heißwassertemperatur vor. Das Wasser strömte so heiß in die Wanne, dass die Heimbewohnerin schwerste Verbrühungen an beiden Füßen und Unterschenkeln erlitt, da sie sich wegen ihrer Handikaps nicht selbst aus der Situation befreien konnte. Die Verletzungen waren so erheblich, dass in einem Krankenhaus mehrere Hauttransplantationen durchgeführt werden mussten. Dabei kam es zu erheblichen Komplikationen. Die Klägerin ist so schwer gesundheitlich geschädigt, dass sie nicht mehr gehen kann und auf einen Rollstuhl angewiesen ist; außerdem erlitt sie psychische Folgeschäden. Das Landgericht Bremen und auch das Hanseatische Oberlandesgericht in Bremen (Berufungsinstanz) haben die Klage abgewiesen.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat es gerichtet: er hat entschieden, dass die Entscheidungen der Instanzgerichte nicht korrekt waren. Diese hatten angenommen, dass ein Heimträger nicht dafür sorgen müsse, dass Wasserentnahmestellen mit einer Temperaturbegrenzung für Heißwasser ausgestattet werden. Außerdem seien die Obhutpflichten eines Heimträgers auf das übliche und dem Pflegepersonal zumutbaren zu begrenzen.

Der Bundesgerichtshof hat ausgeführt, dass sich nicht generell, sondern nur für den Einzelfall festlegen lasse, welche konkreten Schutzpflichten einen Heimträger träfen. Dabei spielt die konkrete Gefahrenlage, aber auch technische Regelungen wie insbesondere DIN-Normen eine Rolle. Wenn eine Normung besteht, kann diese im Rahmen der Gesamtabwägung zur Konkretisierung des Umfangs der Obhut- und Verkehrssicherungspflichten herangezogen werden.

Der Bundesgerichtshof stellte fest, dass eine DIN-Norm existiert, dass für Krankenhäuser, Schulen, Seniorenheime usw. spezielle Sicherheitsvorkehrungen erforderlich sind, um das Risiko von Verbrühungen und Verbrennungen zu mindern. Diese Schutzvorkehrungen sollen also dort zum Einsatz kommen, wo im Rahmen einer für das gesundheitliche Wohl der Bewohner verantwortlichen Einrichtung Personen leben, die aufgrund ihrer körperlichen oder geistigen Verfassung – so wie es bei der geistig behinderten Klägerin der Fall gewesen ist – nicht in der Lage sind, die mit heißem Wasser verbundenen Gefahren zu beherrschen. Darum ist besonderer Schutz vor Verbrennungen erforderlich. Bei der Betroffenen lag zudem eine starke Diabetes vor, sodass ihr Schmerzempfinden herabgesetzt war (diabetische Neurophatie). Die geistige Behinderung führte dazu, dass sie aufgrund der unerwarteten Situation nicht in der Lage war, einen klaren Gedanken zu fassen. Sie konnte das heiße Wasser nicht sofort abzustellen und auch nicht die Badewanne zu verlassen.

Diesen Gefahren hätte der Heimträger entgegenwirken müssen, indem er entweder die Begrenzung der Temperatur des austretenden Wassers entsprechend den Normungsempfehlungen hätte sicherstellen oder eine Betreuungsperson bereitstellen müssen.

Daraus, dass dies nicht geschehen ist, ergibt sich der Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz und Schmerzensgeld.

„Verbrennungen sind für den Menschen außerordentlich schwerwiegende Verletzungen, die als Dauerschaden langjährig, oft bis an das Lebensende behandelt werden müssen. Das muss bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigt werden“, sagt Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Dr. Lovis Wambach.

Die vollständige Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 22. August 2019 – III ZR 113 /18 können Sie hier als PDF (192) herunterladen:

BGH, Urteil  vom 22. August 2019 – III ZR 113 / 18

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