Das Geschehen:
Der heute zehnjährige Junge wurde mit einem Jahr wegen einer Lungenentzündung in das Krankenhaus eingeliefert und hat dann aufgrund von Behandlungsfehlern einen schwersten hypoxischen Hirnschaden erlitten.
Das Kind hatte gerade Äpfel und Chips gegessen, als es eine Infusion mit Antibiotikum erhalten hat. Es hatte noch Apfelreste und Chips im Mund. Über die Infusion hat es sich dermaßen erschrocken, dass es sich verschluckt hat, worauf hin es zu einem Kreislaufstillstand und nachfolgender Reanimation gekommen ist. Auf der dadurch entstanden Sauerstoffunterversorgung beruht der Hirnschaden. Die Beweisaufnahme mit Vernehmung der Parteien und des medizinischen Sachverständigen hat ergeben, dass eine sorgfältig arbeitende Kinderkrankenschwester mit der Verabreichung des Medikaments hätte zuwarten müssen, um sicherzustellen dass keine Essensreste im Mund mehr vorhanden sind. Dies nicht zu tun, war standardunterschreitend. Außerdem hat die Kinderkrankenschwester das Kind über Kopf gehalten und geschüttelt. Mit dieser unprofessionellen Vorgehensweise hat sie die Fremdkörper nur noch tiefer in den Rachenraum rutschen lassen, die Chancen für die Entfernung verringert und den Zeitraum der Sauerstoffunterversorgung also verlängert.
Dadurch hat das Kind eine schwerste Hirnschädigung erlitten, Lähmungen, Epilepsie, Intelligenzverminderung, Verlust der aktiven Sprache, Schädigung der Augen, Schädigung der Hüfte und Wirbelsäule, Schluckstörungen. Es hat Pflegegrad fünf und ist zu 100 Prozent schwerstbehindert.
Das Schmerzensgeld:
Die Eltern hatten ein Schmerzensgeld von mindestens 500.000 € beantragt. Das Gericht hat diesen Betrag verdoppelt. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, ist diese Vorgehensweise einem Gericht erlaubt; leider wird davon viel zu selten Gebrauch gemacht.
Zur Schmerzensgeldbemessung hat das Gericht folgende Überlegungen angestellt: nach dem persönlichen Eindruck der Kammer des Landgerichts hält diese es für angemessen, den Kläger mit 1.000.000 Euro zu entschädigen. Zwar sei der Kinderkrankenschwester nur leichte Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Auch sei der Schutzreflex, die Schuld von sich zu weisen, nicht edel, aber nachvollziehbar. Jedoch seien die Folgen für den Kläger so gravierend, dass ein hoher immaterieller Ersatz gezahlt werden muss. Der Kläger hat keine normale Kindheit, kann keinen normalen Kindergarten oder eine normale Schule besuchen, er kann nicht normal mit Freunden spielen. Er kann sich kaum bewegen, sich nicht waschen und nicht alleine essen.
Die besondere Tragik liegt laut Gericht darin, dass einem jungen Menschen jegliche Perspektive auf ein normales Leben genommen worden ist. Deshalb ist das Gericht über die vom Landgericht Aurich ausgeurteilten (damals höchstes Schmerzensgeld in Deutschland) 800.000 € hinaus gegangen, weil der dortige Schwerstgeschädigte Kläger die Chance auf eine normale Kindheit und Jugend hatte.
Das Gericht vergaß hier „normal“ in Anführungsstriche zu setzen. Auch dieser Junge ist in seinem Erleben der Kindheit außerordentlich beeinträchtigt.
Die Besprechung und und die Entscheidungen können Sie hier nachlesen:
Das vollständige Urteil des Landgerichts Limburg vom 28.06.2021 – 1 O 45/15 können Sie hier als PDF-Datei (52 KB) herunterladen:
LG Limburg, Urteil vom 28.06.2021 – 1 O 45/15
„Mit der Millionen für den immateriellen Schaden ist es nicht getan. Zusätzlich dazu müssen auch alle weiteren materiellen Schäden erstattet werden, beispielsweise Pflegekosten. Diese sind lebenslang gerechnet sehr hoch. Sie übersteigen das Schmerzensgeld bei weitem“, sagt Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Dr. Lovis Wambach.
Auf unserer Homepage halten wir eine Schmerzensgeldtabelle (für schwere Schäden) bereit, so dass Sie sich über die Höhe des Schmerzensgeldanspruchs informieren können.
Um höchste Schmerzensgelder geht es bei Hirnschäden immer. Auch dazu finden Sie weitere Informationen auf unserer Homepage:
Schmerzensgeldtabelle Hirnschädigungen
Die Schmerzensgeldbemessung ist auch Thema eines unserer Erklärvideos: