Oberlandesgericht Frankfurt, Urteil vom 21.03.17 – 8 U 228/11: Übersieht ein Arzt trotz dringenden Verdachts eine Malariaerkrankung, so kann er gegen diesen groben Diagnosefehler nicht einwenden, dass die Patientin ein Mitverschulden trifft, weil sie vor einer Afrikareise keine Malariaprophylaxe betrieben hat.
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hatte folgenden Fall zu entscheiden: Die Patientin und spätere Klägerin reiste mit ihrem Verlobten durch den Süden Afrikas Der Verlobte erlitt einen Unfall und starb. Nach der Überführung des Leichnams nach Deutschland traten bei ihr erkältungsähnliche Symptome auf, woraufhin sie den Verdacht schöpfte, an Malaria erkrankt zu sein. In ihrem Hotel ging es ihr dann einige Zeit später so schlecht, dass sie den Notdienst verständigte. Dieser erkannte, obwohl zwei Ärzte anwesend waren, die Erkrankung nicht und „tippte“ auf „Magen Darm“, obwohl die Klägerin ihn auf ihren Verdacht und ihren Aufenthalt in Afrika hingewiesen hatte, was der Arzt abstritt. Am nächsten Tag wurde die Patientin bewusstlos im Hotelbett aufgefunden. Im Krankenhaus wurde dann Malaria diagnostiziert, mit Beteiligung des Gehirns. Der Patientin verblieben als Folgen des Komas und des Hirnödems insbesondere Beeinträchtigungen des Kurzzeitgedächtnisses und der Sehfähigkeit.
Das Gericht bejahte einen groben Behandlungsfehler (fundamentalen Diagnosefehler). Ein Aufenthalt in Asien oder Afrika müsse an eine Tropenkrankheit, insbesondere an eine Malaria, denken lassen. Die medizinische Sachverständige hat unmissverständlich deutlich gemacht, dass ein Arzt in der Position des Beklagten den genauen Aufenthaltsort der Patientin hätte erfragen müssen. Wenn dies nicht geschehen sei, sei allein dies ein ärztlicher Fehler. Insofern handele es sich um einen Verstoß gegen gesicherte und bewährte medizinische Behandlungsregeln. Dieser stelle eine nicht mehr verständliche Unterlassung dar, so dass das Gericht den Fehler als grob werten konnte.
Der Arzt wandte im Prozess unter anderem ein, dass der Klägerin vorzuwerfen sei, dass sie vor dem Aufenthalt in einem Risikogebiet keine Malariaprophylaxe betrieben habe. Dass die Klägerin es versäumt hat, vor ihrem Aufenthalt in Afrika eine Malaria-Prophylaxe vorzunehmen, stellt nach Auffassung des Gerichts allerdings kein Mitverschulden dar. Es ergibt für das Rechtsverhältnis zwischen Arzt und Patient nämlich keinen Unterschied, ob der Patient durch eigene Schuld behandlungsbedürftig geworden ist oder nicht.
Hinsichtlich eines Mitverschuldens des Patienten an seinem Gesundheitsschaden ist die obergerichtliche Rechtsprechung zu Recht vorsichtig. Grundsätzlich kann sich zwar auch der Arzt gegenüber dem Patienten, der ihn wegen fehlerhafter Behandlung und Beratungen in Anspruch nimmt, darauf berufen, dass dieser den Schaden durch sein eigenes schuldhaftes Verhalten mit verursacht hat. Ein solches Mitverschulden liegt vor, wenn der Patient diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt. So muß von dem Patienten, der an den Heilbemühungen des Arztes mitzuwirken hat, etwa erwartet werden, dass er dessen Therapie- und Kontrollanweisungen befolgt. Mit Rücksicht auf den Wissens- und Informationsvorsprung des Arztes gegenüber dem medizinischen Laien ist jedoch bei der Bejahung mitverschuldensbegründender Obliegenheitsverletzungen des Patienten grundsätzlich Zurückhaltung geboten.
„Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann bei mangelhafter ärztlicher Beratung ein Mitverschulden des Patienten deshalb nur in Ausnahmefällen angenommen werden“, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Dr. Lovis Wambach.
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