Das Zurücklassen eines Fremdkörpers (hier OP-Nadel) im Operationsgebiet ist dem voll beherrschbaren Risiko der Klinik zuzuordnen

Unfallrecht - Im Verkehr und allgemein

Nadel wurde bei Nieren-OP vergessen:

Die Klägerin unterzog sich einer minimalinvasiven Nierenoperation. Anlässlich eines CTs fiel nach der Operation auf, dass eine 1,9 cm lange, gerade Nadel mit der Stärke 4,0 im Körper zurückgeblieben war. Hierüber wurde die Klägerin informiert. Sie macht mit ihrer Klage Schmerzensgeld und Schadensersatzansprüche gegen das Klinikum geltend.

Die Folgen …

Die zurückgelassene Nadel muss in regelmäßigen Abständen kontrolliert werden. Die Bildgebung führt zu Strahlenbelastung. Man könnte die Nadel auch entfernen, was allerdings nur durch eine Operation möglich wäre, die mit Risiken behaftet ist. Die Klägerin ist psychisch beeinträchtigt, sie traut sich beispielsweise nicht mehr, joggen zu gehen, weil sie nicht weiß, wie sich das auf die Lage der Nadel auswirkt. Sie hat auch ihren weiteren Kinderwunsch aufgegeben.

Für diese Lebensbeeinträchtigungen hat das Gericht ein Schmerzensgeld von 10.000 € zugesprochen.

Es hat sich darauf gestützt, dass die unbemerkt zurückgelassene Nadel dem vollbeherrschbaren Risiko der Behandlerseite zufällt. Bei der Rechtsfigur des voll beherrschbaren Risikos handelt es sich um eine Beweiserleichterung für Patienten. Gemäß § 630h Abs. 1 BGB wird ein Fehler von Arzt oder Krankenhaus vermutet, wenn sich ein Risiko verwirklicht hat, dass aus einem voll beherrschbaren Risiko der Behandlerseite stammt. Arzt oder Krankenhaus müssen dann in diesem Fall darlegen und beweisen, warum sie kein Verschulden trifft. Das ist Ihnen in diesem Fall nicht gelungen.
Es gehört nämlich zu den chirurgischen Grundprinzipien, sämtliche Instrumente vor und nach einer Operation auf ihre Vollständigkeit zu überprüfen.
Es hat sich um vier Nadeln gehandelt. Wäre gezählt worden, wäre aufgefallen, dass nach der Operation nur noch drei Nadeln vorhanden gewesen wären. Dass dieses Ergebnis auch bei aller Sorgfalt nicht hätte vermieden werden können, hat die Behandlerseite nicht darlegen und beweisen können.

Das voll beherrschbares Risiko gilt auch für medizinische Geräte und Materialien, da Arzt oder Krankenhaus für die Mangelfreiheit, Funktionstüchtigkeit und korrekte Bedienung der Geräte haften: Infusionssysteme, Narkosegeräte, Röntgengeräte oder Elektrokauter.

Nicht nur Nadeln, auch andere medizinische Geräte, die nach einer Operation im Körper des Patienten zurückbleiben (Tupfer, Klemmen, Bauchtücher) gehören ebenfalls zu den voll beherrschbaren Risiken. Das gleiche gilt für Lagerungsschäden während einer Operation.

„Es lohnt sich wegen des Vorteils der Beweislastvermutung im Falle eines Behandlungsfehlers, die Rechtsprechung nach vergleichbaren Fällen zu durchforsten, um mit der vollen Beherrschbarkeit des eingetretenen Risikos argumentieren zu können“, sagt Patientenanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Dr. Lovis Wambach.

Das vollständige Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 20.Dezember 2018 – 1 U 145 / 17 können Sie hier als PDF-Datei (36 KB) herunterladen:

OLG Stuttgart, Urteil vom 20.12.2018 – 1 U 145/17

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