In diesem Fall kollidierten die beiden am Unfall beteiligten Fahrzeuge, weil das Fahrschulfahrzeug abrupt abgebremst hatte. Zwischen den Unfallbeteiligten streitig war der Grund. Der Fahrschüler und sein Fahrlehrer behaupteten, das abrupte Abbremsen sei notwendig gewesen, weil ein älterer Mann drohte, vor dem Fahrschulfahrzeug über die Straße zu laufen. Der Auffahrende wiederum war der Meinung, dass das Anhalten grundlos geschehen sei. Das Amtsgericht – also die erste Instanz – verurteilte den Fahrlehrer und seine Versicherung dazu, die Hälfte des Schadens zu übernehmen.
In der zweiten Instanz hat das Landgericht für zutreffend befunden, dass beide Beteiligte des Unfalls ein Verschulden trifft, da Fahrlehrer und Fahrschüler nicht zu beweisen vermochten, dass der Unfall auf höhere Gewalt zurückzuführen oder unanwendbar war. Mit der Höhe der Haftungsquote war das Landgericht jedoch nicht einverstanden. Vielmehr war es der Meinung, dass der Beweis des ersten Anscheins (Anscheinsbeweis) dafür spreche, dass dem Auffahrenden die Schuld an einem Unfall treffe. Bei Fahrschulwagen gelte das sogar insoweit, dass derjenige der einem Fahrschulfahrzeug folge, damit rechnen müsse, dass sonst nicht übliche Reaktionen erfolgen können, wie etwa ein grundloses Abbremsen. Darauf muss ein Verkehrsteilnehmer, der hinter einem Fahrschulfahrzeug fährt, jederzeit vorbereitet sein. Das Landgericht war der Meinung, dass in diesem Fall eine Haftungsverteilung von 70 Prozent zu 30 Prozent zulasten des Auffahrenden (also zugunsten von Fahrschüler und Fahrlehrer) gerechtfertigt sei.
In diesem Fall ging es bloß um einen Blechschaden (8.592,14 € – eingeklagt worden sind davon 50 Prozent). Wäre auch ein Personenschaden zu beklagen gewesen, dann hätte sich die Haftungquote enorm bemerkbar gemacht. Bei einem großen Personenschaden kann es leicht um folgende Beträge gehen: 250.000 € Schmerzensgeld, 1.000.000,- Pflegekosten, 600.000 € Haushaltsführungsschaden, 500.000 € Erwerbsschaden, 75.000 € Kosten für den behindertengerechten Umbau des Hauses. Gesamt also: 2.425.000 €.50 Prozent davon sind 1.212.500 €.30 Prozent sind 727.500. Die Differenz beträgt fast eine halbe Million Euro: 485.000 €.
„Wie man sieht lohnt es gerade bei großen Schäden in der Haftungsquote um jeden Prozentpunkt zu kämpfen“, sagt Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht Rouven Walter, denn selbst dann, wenn man die Haftungsquote im Berufungsverfahren nur um zehn Prozent, nämlich von 50 auf 40 Prozent verbessert hätte, würde das auch schon einen Betrag von 242.500 € ausmachen.“
Das vollständige Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 2.11.2018 – 13 S 104 / 18 können Sie hier als PDF Datei (20 KB) herunterladen: