Das neue Hinterbliebenengeld (Angehörigenschmerzensgeld)
Den Angehörigen eines Patienten oder Verkehrsunfallopfers mag es naturgemäß schlecht gehen, aber so ohne weiteres gab es bisher kein Angehörigenschmerzensgeld in Deutschland. Für die „normale“ Trauer um den Tod eines Angehörigen wurde kein immaterieller Ersatz (Schmerzensgeld) zugesprochen. Nur dann, wenn die Trauer über das normale Trauern hinaus ging, also eine medizinisch nachweisbare Beeinträchtigung vorlag, die über diejenigen Gesundheitsbeeinträchtigungen hinausging, denen nahe Angehörige bei Todesnachrichten erfahrungsgemäß ausgesetzt sind, ist der sogenannte „Schockschaden“ zu ersetzen. Der lebenslange Verlust eines Partners, Kindes oder der Eltern blieb aber außerhalb des Schockschadens nach geltendem Recht entschädigungslos.
Diesen unhaltbaren Zustand hat der deutsche Gesetzgeber jetzt beseitigt. Nunmehr wird ab dem 22.07.2017 der Verlust eines Partners, Kindes oder der Eltern mit dem sogenannten Hinterbliebenengeld „entschädigt“. Gemäß § 844 Abs. 3 BGB wird Ersatz geleistet „für das dem Hinterbliebenen zugefügte seelische Leid“. Der Anspruch besteht bei einem besonderen persönlichen Näheverhältnis, das bei Ehegatten, eingetragenen Lebenspartnern, Eltern und Kindern automatisch vermutet wird. Diese Vermutung muss der beweisbelastete Schädiger widerlegen.
„Zu kritisieren sind aber vor allem die beiden folgenden Punkte“, sagt Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Dr. Lovis Wambach:
1. Nichteheliche Lebensgemeinschaften, die kein juristisch formales Verhältnis vorweisen können, sind zwar vom Anspruch nicht ausgeschlossen, ihnen kommt aber keine Beweislasterleichterung zu Gute; sie müssen zusätzlich zu den anderen Voraussetzungen das besondere persönliche Näheverhältnis beweisen. Diese Regelung wird den gesellschaftlichen Realitäten nicht gerecht. Im Jahr 2015 lebten laut Statistischem Bundesamt in Deutschland rund 2,8 Millionen Paare als nichteheliche Lebensgemeinschaft zusammen in einem Haushalt. Bei einem Drittel der nichtehelichen Lebensgemeinschaften wohnten Kinder im Haushalt. Seit 1996 ist die Anzahl der nichtehelichen Lebensgemeinschaften um gut eine Million gestiegen. Damals lebten und wirtschafteten lediglich 1,8 Millionen gemischtgeschlechtliche Paare ohne Trauschein gemeinsam in einem Haushalt.
2. Das neue Gesetz sieht vor, dass ein Ausgleich nur im Falle des Todes erfolgt. Ein Angehörigenschmerzensgeld sollte aber nicht nur im Falle einer Tötung, sondern auch bei Verletzungen mit schweren Dauerfolgen zugesprochen werden, weil selbst wenn die materiellen Schäden ausgeglichen werden, auch die immateriellen Belastungen im Falle der Pflegebedürftigkeit des Opfers eines Verkehrsunfalls oder Behandlungsfehlers massiv sein können. Man denke nur einmal daran, wenn Eltern ihr schwerverletztes Kind (etwa bei einem Geburtsschaden) 50 Jahre lang pflegen und ihnen jeden Tag ihre Situation vor Augen geführt wird.
Das Gesetz zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld können Sie hier als PDF (48 KB) herunterladen:
Gesetz zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld
§ 844 BGB
(1) Im Falle der Tötung hat der Ersatzpflichtige die Kosten der Beerdigung demjenigen zu ersetzen, welchem die Verpflichtung obliegt, diese Kosten zu tragen.
(2) Stand der Getötete zur Zeit der Verletzung zu einem Dritten in einem Verhältnis, vermöge dessen er diesem gegenüber kraft Gesetzes unterhaltspflichtig war oder unterhaltspflichtig werden konnte, und ist dem Dritten infolge der Tötung das Recht auf den Unterhalt entzogen, so hat der Ersatzpflichtige dem Dritten durch Entrichtung einer Geldrente insoweit Schadensersatz zu leisten, als der Getötete während der mutmaßlichen Dauer seines Lebens zur Gewährung des Unterhalts verpflichtet gewesen sein würde; die Vorschriften des § 843 Abs. 2 bis 4 finden entsprechende Anwendung. Die Ersatzpflicht tritt auch dann ein, wenn der Dritte zur Zeit der Verletzung gezeugt, aber noch nicht geboren war.
(3) Der Ersatzpflichtige hat dem Hinterbliebenen, der zur Zeit der Verletzung zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis stand, für das dem Hinterbliebenen zugefügte seelische Leid eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten. Ein besonderes persönliches Näheverhältnis wird vermutet, wenn der Hinterbliebene der Ehegatte, der Lebenspartner, ein Elternteil oder ein Kind des Getöteten war.