Schmerzensgeld bei erheblichen motorischen und geistigen Entwicklungsstörungen des Kindes nach groben Behandlungsfehlern bei der Geburtsleitung

Gleich mehrere Behandlungsfehler bei der Geburt

Den Ärzten im Krankenhaus sind bei der Geburtsleitung mehrere Behandlungsfehler unterlaufen. Sie haben das CTG (Herztonwehenschreibung) falsch ausgewertet und hätten der Mutter viel früher darlegen müssen, dass eine Kaiserschnittentbindung sinnvoll sein kann (relative Indikation). Sodann hat der medizinische Sachverständige dargelegt (dieser Wertung hat sich das Gericht angeschlossen), dass es ein grober Fehler gewesen sei, nicht permanent eine Überwachung durch das CTG auszuführen. Der Sachverständige sagte dazu, dass dies ein grober Fehler mit Missachtung des internationalen Mindeststandards sei. Das weitere Zuwarten nach einem von vornherein auffälligen CTG sei eine Art Blindflug mit gravierendsten Risiken für das ungeborene Kind gewesen.

Hinzu kommt ein weiterer Fehler: steht aus medizinischen Erwägungen fest, dass ein Kaiserschnitt vorgenommen werden muss (absolute Indikation), dann muss dieser innerhalb von maximal 20 Minuten vorgenommen werden. Die Überschreitung dieser Zeitspanne (EE-Zeit = Entscheidungs-Entbindungs-Zeit) um mehr als das Doppelte ist gleichfalls klinisch nicht mehr nachvollziehbar und deshalb auch ein grober Behandlungsfehler.

Niedriges Schmerzensgeld von 250.000 €

Das Kind leidet unter einer allgemeine Entwicklungsstörung, Sprachentwicklungsstörung, motorischen Koordinationsstörungen und Epilepsie. Mit entsprechenden Förderungen wird der Kläger allenfalls den Stand eines siebenjährigen Kindes erreichen können. Er wird niemals allein leben können und er wird nach Einschätzung des Sachverständigen selbst feststellen, dass er ein geistiges Defizit hat, was nach den Erfahrungen des Sachverständigen zu einem besonderen Leidensdruck führt.

Zum Ausgleich dieser Lebensbeeinträchtigungen hat das Gericht mit dürftiger Begründung ein Schmerzensgeld in Höhe von 250.000 € zugesprochen.

Das Schmerzensgeld ist aus folgenden Gesichtspunkten zu niedrig bemessen:

es besteht die Tendenz in der Rechtsprechung, dass das Schmerzensgeld erhöht werden muss, wenn der Geschädigte sich seiner Beeinträchtigungen bewusst ist und darunter leidet. Außerdem tendiert die Rechtsprechung momentan dazu, bei groben Behandlungsfehlern das Schmerzensgeld zu erhöhen.

„Hier lagen zwei sehr grobe Behandlungsfehler und ein Aufklärungsfehler vor“ sagt Patientenanwalt und Rechtsanwalt Dr. Lovis Wambach, diese schwerwiegendsten Versäumnisse unterfallen nicht mehr dem allgemeinen Lebensrisiko. Damit muss ein Patient nicht rechnen. Hier hätte das Schmerzensgeld spürbar erhöht werden müssen, auf mindestens 350.000,- oder 400.000 Euro!“

Das vollständige Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 04. April 2017 – I-26 U 88 /16 können Sie hier als PDF-Datei (36 KB) herunterladen:

OLG Hamm, Urteil vom 04.04. 2017 – I-26 U 88/16

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