Es kann in Einzelfällen empfehlenswert sein, ein Teilschmerzensgeld geltend zu machen. Es kommt aber sehr auf die Umstände an. Das ist nicht nur keine leichte Frage, ein Teilschmerzensgeld geltend zu machen, ist prozessrechtlich nicht ganz einfach und birgt zahlreiche Risiken. Hier ist Expertenrat gefragt.
Einerseits klingt es natürlich plausibel, nur einen Teilebetrag geltend zu machen, wenn das Ausmaß der Verletzung noch nicht absehbar ist; andererseits geht die deutsche Rechtsordnung vom Grundsatz der sogenannten Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes aus. Die Höhe des Schmerzensgeldes ist aufgrund einer ganzheitlichen Betrachtung der den Schadensfall prägenden Umstände unter Einbeziehung der absehbaren künftigen Entwicklung des Schadensbildes zu bemessen.
Für den durch Verkehrsunfall oder Behandlungsfehler Geschädigten stellt sich oftmals die Problematik, dass er einerseits baldmöglichst seine Ansprüche realisieren möchte, sich aber andererseits nicht abschließend und objektiv feststellen lässt, welche Folgen die Verletzungen tatsächlich noch nach sich ziehen werden.
Ein Beispiel: Durch einen Behandlungsfehler oder einen Autounfall wird das Knie verletzt. Es ist aber zur Zeit nicht klar, ob das Knie später einmal durch eine Prothese ersetzt werden muss, was den Schmerzensgeldanspruch erhöhen würde, da die Lebensbeeinträchtigung durch eine Knieprothese erheblich ist. Handelt es sich um einen jungen Menschen, muss das künstliche Knie späterhin ausgetauscht werden, bei sehr jungen Menschen ist im Alter vielleicht gar keine (zweite) Revision mehr möglich, dann stellt der Rollstuhl eine noch größere Lebensbeeinträchtigung dar, die mit dem Schmerzensgeld ausgeglichen werden müsste.
Es gibt zwei Möglichkeiten, mit dieser Situation umzugehen. Die Möglichkeit, dass in der Zukunft eine Prothese eingesetzt werden muss, wird mit einem „Abschlag“ schon jetzt abgegolten. Wenn keine Verschlimmerung eintreten sollte, hat der Geschädigte Glück, dann hat er den Risikozuschlag zusätzlich erhalten. Tritt aber die Verschlechterung tatsächlich ein, hat der Geschädigte den meist erheblichen Abschlag schon hingenommen, erhält also zu wenig.
Die andere Möglichkeit ist, das Schmerzensgeld aufzuteilen. Das ist aber gar nicht einfach, denn das Einklagen eines Teilschmerzensgeldes wird von der Rechtsprechung nämlich nur dann zugelassen, wenn sich die künftige Entwicklung überhaupt gar nicht überschauen lässt und deswegen das insgesamt angemessene Schmerzensgeld noch nicht endgültig beurteilt werden kann. Andere Voraussetzungen berechtigen den Geschädigten nicht, ein Teilschmerzensgeld einzuklagen.
Ein Teilschmerzengeld wird also nur dann zugesprochen, wenn die Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen ist und sich deshalb das Gericht außer Stande sieht, den Betrag in voller Höhe zu ermitteln. Die zeitliche Zäsur bildet stets die letzte mündliche Verhandlung bei Gericht. Alle bis dahin eingetretenen Beeinträchtigungen müssen vom Gericht berücksichtigt werden und sind mit dem Gerichtsurteil abgegolten.
Alle in der Zukunft liegenden ungewissen Schäden müssen deswegen ausdrücklich ausgeklammert werden. Ansonsten steht die Rechtskraft des ergangenen Urteils einer zukünftigen Geltendmachung weiteren Schmerzensgeldes entgegen.
Der Geschädigte hat die Wahl, ob er hinsichtlich etwaiger Zukunftsschäden einen immateriellen Vorbehalt erhalten will oder ob er alle immateriellen Zukunftsschäden umfassend in seinen Schmerzensgeldantrag einbeziehen will. Der Vorteil beim umfassenden Schmerzensgeld ist, dass der Geschädigte sofort einen größeren Betrag erhält.
Um zu unserem Beispiel zurückzukommen: Will der Geschädigte einzelne Folgen der Verletzung, wie etwa die Notwendigkeit eines künstlichen Kniegelenks (Knieendoprothese) unter den Vorbehalt der Nachforderung stellen, muss sein Rechtsanwalt bei seinem Antrag und in der Begründung seines Schmerzensgeldes deutlich darauf hinweisen, dass er diese möglichen Folgen nicht von seiner Schmerzensgeldvorstellung berücksichtigt wissen will.
Der Fachanwalt muss bei der Begründung der Schmerzensgeldvorstellung die einzelnen Beeinträchtigungen auflisten und präzise deutlich machen, welche Folgen in der Schmerzensgeldvorstellung Berücksichtigung finden sollen und welche nicht. Falls eine solche Klarstellung erfolgt, ist ein zusätzlich gestellter Feststellungsantrag für die Folgeschäden dahingehend auszulegen, dass er für die ausgeklammerten Spätschäden gelten soll. Sinnvoller ist es natürlich, neben der allgemeinen Formulierung des Feststellungsantrages zusätzlich die einzelnen möglichen Spätfolgen – für die er gelten soll – aufzulisten.
Ist dann eine entsprechende gerichtliche Entscheidung (Urteil) ergangen, verhindert die Rechtskraft einer solchen ersten Schmerzensgeldentscheidung ausnahmsweise nicht eine neue zweite Schmerzensgeldklage“, stellt die Fachanwaltskanzlei für Personenschadensrecht Dr. Wambach & Walter klar.
Die Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs zur Thematik können Sie hier als PDF (60 KB) herunterladen: