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Verjährungshemmung durch Einreichen des Antrags bei der Schlichtungstelle für Arzthaftpflichtfragen

Verjährungshemmung durch Einreichen des Antrags bei der Schlichtungstelle für Arzthaftpflichtfragen

In diesem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall ging es um einen Patienten, der im Jahre 2007 von einer infizierten Zecke gebissen worden war und eine Borreliose entwickelt hatte und hierdurch seither schwer beeinträchtigt ist. Der behandelnde Orthopäde hatte den Zeckenbiss nicht erkannt, so dass eine Heilung nicht mehr möglich war. So etwas ist gar nicht selten, jedoch (noch gar) nicht das Problem des Falls. Die Frage der Haftung wird erst später geklärt werden.

Das Problem des Falls ist zunächst die Verjährung von Ansprüchen, wenn eine Schlichtungsstelle angerufen wird.

Schlichtungsstellen können eine Alternative zu einem Gerichtsverfahren darstellen. Oftmals sind diese Verfahren kostenlos. Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten wird durch ein Schlichtungsverfahren nicht versperrt, solange man darauf achtet, dass der Anspruch nicht verjährt. Die Verjährung ist bei der Arzthaftung immer ein ganz wichtiger Punkt. Wird ein Schlichtungsverfahren einvernehmlich durchgeführt und rechtzeitig beantragt, dann ist die Verjährung gehemmt. Mängel in der Organisation der Schlichtungsstelle, bei der Bearbeitung und Zustellung werden dem Antragsteller nicht zugerechnet (BGH, Urteil vom 22.09.2009 – Az. I ZR 230/08). Wenn der Patient oder sein Rechtsanwalt alle von ihnen geforderten Mitwirkungshandlungen erbracht haben, dann liegt die weitere Verantwortung für den ordnungsgemäßen Verfahrensgang ausschließlich in den Händen der Schlichtungsstelle. Diesen Geschäftsgang können die Parteien ja gerade nicht beeinflussen, deswegen sind Verzögerungen nicht zurechenbar.
Die Hemmung der Verjährung endet gem. § 204 Abs. 2 S. 1 BGB frühestens sechs Monate nach der Einstellung des Schlichtungsverfahrens (BGH Urteil vom 22.09.2009 – Az.: XI ZR 230/08). Innerhalb dieser Frist muss eine Klage erhoben werden.

Der Fall lag hier aber gerade anders: Der Patient rief kurz vor Ablauf der Verjährung die Schlichtungsstelle an.

Der Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld wäre am 31.12.2011 verjährt. Der Patient stellte den Schlichtungsantrag am 15.12.2011, der am 22.12.2011 dort einging. An sich kein Problem sollte man denken, eigentlich ja sogar recht frühzeitig, wenn man bedenkt, wie viele Klagen Rechtsanwälte noch am Jahresende erheben, also am 30. und 31. Dezember. Wenn man eine Klage – und sei es am letzten Tag – bei Gericht einreicht und diese dann alsbald zugestellt wird, ist die Verjährung gehemmt. Eine Schlichtungsstelle ist jedoch kein Gericht. Sie beruht (und das ergibt ja bei einem Schlichtungsverfahren Sinn) auf Freiwilligkeit. Der Arzt hatte dem Schlichtungsverfahren erst im darauffolgenden Jahr, nämlich im Februar 2012 zugestimmt, also zu einem Zeitpunkt, als die Ansprüche schon verjährt waren. Der Berufshaftpflichtversicherer des Arztes verweigerte sich dann aber dem Schlichtungsverfahren, weil er meinte, dass die Ansprüche verjährt seien. Das meinte auch das Oberlandesgericht Jena und musste sich vom Bundesgerichtshof belehren lassen, dass die Hemmung der Verjährung am 21.12.2011 eingetreten war:

Macht ein Patient gegen den ihn behandelnden Arzt Schadensersatzansprüche bei einer von den Ärztekammern eingerichteten Schlichtungsstelle geltend, so setzt der Eintritt der Verjährungshemmung nicht voraus, dass sich der Arzt oder der hinter diesem stehende Haftpflichtversicherer auf das Schlichtungsverfahren einlässt. Dies gilt auch dann, wenn ein Schlichtungsverfahren nach der Verfahrensordnung der jeweiligen Schlichtungsstelle nur dann durchgeführt wird, wenn Arzt und Haftpflichtversicherer der Durchführung des Verfahrens zustimmen.

Jetzt wird es noch mal schwierig. Die Hemmung der Verjährung endet sechs Monate nach Beendigung oder Erledigung des Schlichtungsverfahrens. Die Schlichtungsstelle teilte dem Patienten am 13.04.2012 mit, dass das Verfahren (mangels Zustimmung des Berufshaftpflichtversicherers, s.o.) eingestellt worden ist. Da von Gesetzes wegen ein Tag mehr berücksichtigt wird, endete die Hemmung der Verjährung am 14. Oktober, dann rechnet man noch die zehn Tage Hemmung aus dem Jahr 2011 dazu, so dass die Hemmung der Verjährung mit Ablauf des 23. Oktober 2012 eingetreten wäre. An diesem Tag war aber dem Arzt schon die Klage zugestellt worden, die wiederum die Verjährung hemmte, so dass sie zu ihrem Ablauf schon aus anderem Grund wieder gehemmt war.

Das war knapp, so kann man wohl sagen. Das Berufungsgericht, also das OLG Jena, muss jetzt entscheiden, ob eine Behandlung entgegen den Facharztstandards vorgelegen hat, die zum Ersatz der materiellen und immateriellen Schäden (Schmerzensgeld) berechtigt.

Das vollständige Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17.01.2017 – ZR VI 239/15 können Sie hier als PDF (116 KB) herunterladen:

BGH, Urteil v. 17.01.2017 – ZR VI 239/15

 

Auch ein anderes, hier besprochenes grundlegendes Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 10.11.2009, Az. VI ZR 247/08) beschäftigt mit Verjährungsfragen, vornehmlich mit der grob fahrlässigen Unkenntnis des Behandlungsfehlers, welche die Verjährungsfrist in Gang setzen kann.

 

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